Ein gerontokratisches kapitalistisches Patriarchat

Ein gerontokratisches kapitalistisches Patriarchat
„Wer sagt denn, dass nicht auch alle Wege der Revolutionen im Mittelmeerraum nach Rom gehen.“ Dass das mal ein Artikel voll nach meinem Geschmack ist, brauch ich wohl gar nicht erst zu betonen. Er ist es, nicht nur vom Inhalte her, auch von der Form. Eben nicht eloquent, wie gewohnt, sondern im Stil durchaus puristisch. Ansonsten lassen Sie die Bilder das sagen, was ausgesprochen nur eine Obszönität mehr wäre. Man sieht gleich, was Ihnen dieses Thema bedeutet, lieber Don Alphonso. Vielleicht sagen Sie es nicht explizit aber doch implizit: „Die Jugend an die Macht“.

Und sollten wir das nicht sehr bald begreifen, wird es uns noch die eine oder andere Bartholomäusnacht bescheren. Die Geduld der Jugend scheint zu Ende. So wie die der Frauen schon lange zuvor.
Die arabische Revolution lässt grüßen!

Und ganz sicher könnte Italien das erste europäische Land sein, wo es arabisch hergehen könnte (wahrlich nicht mehr nur in den Bordellen der Herrschenden). Und dass es diesmal ihnen vielleicht nicht gelingt, den „arabischen Feind“ über die Alpen zurück zu schlagen, denn dieser kommt ganz sicherlich nicht über diese – auf dem Rücken von Elefanten.

Ich tippte eine Zeit lang eher auf Griechenland, was den revolutionären Reigen am Rande Europas beginnen lassen könnte, und was ich noch nicht ganz ausschließe. Dennoch, als ich kürzlich erfuhr, nämlich von einer Deutschen, die jahrelang in Italien, mit einem Italiener, lebte, aber im armen Süden, welche Verhältnisse dort wirklich herrschen – 1000 € im Monat, das ist noch ein nobles Einkommen -, da wurde mir schlagartig klar, wie sehr dieser Berlusconi von einem Gaddafi abhängt. Nicht nur von dessen Huren, nein von dessen Militärmacht, deren Erhalt nämlich. Von dem Beispiel, dass die Revolution dort gestoppt wird.

Nicht die Bürgerkriegsflüchtlinge Arabiens sind es, die einem Berlusconi schlaflose Nächte verschaffen, nein, es ist das Beispiel, woran sich die italienische Jugend bald orientieren könnte. An dem womöglich siegreichen.

Aber schauen wir nicht zu sehr nach dem Süden. Auch hier im Norden, weit oberhalb eines Tegernsees, finden wir durchaus vergleichbare Verhältnisse vor.
So war es meine Mutter, als sie vor einiger Zeit bei mir zu Besuch war – sie passte auf die Katzen auf, während ich mit Frau und Kind mal Urlaub machte – und einen jener teuren Läden, wo ich fast nie einkaufe, aufsuchte, der das so auffiel.

Sie selbst kann es sich durchaus leisten, in Delikatessengeschäften, wie auch Reformhäusern, regelmäßig einzukaufen. Aber sie war dennoch entsetzt. Ganz offen sagte sie der Besitzerin des Geschäftes, wie obszön sie ihre Preise findet (so findet sie es auch hinterhältig das Obst in 500 Gramm und eben nicht in Kilo auszupreisen). Und dass sie sicher sein könnte, dass ihr Sohn, also ich, der hier lebt, bei ihr nicht einkaufe.

Nun ja, ich kenne diese Dame, und hin und wieder kaufe ich eine ungespritzte Orange für den Orangenkuchen, den meine Frau backt, oder einen ungespritzten Apfel für meine Tochter. Und wir grüßen uns natürlich. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob sie weiß, dass das meine Mutter war. Meine Mutter ist in mancher Hinsicht noch radikaler als ich. Und das definitiv nicht wegen eines Altersstarrsinns, sondern aus vollem Herzen.
Sie ist eine der ganz wenigen, die die Jugend versteht. Und die sich große Sorgen macht, ob deren Zukunft.

Wir, und damit meine ich meine Generation – 50 + -, müssen uns ranhalten. Damit die Jugend begreift, dass sie nicht alleine gelassen wird. In unseren Händen liegt es, ob diese Jugend noch eine Zukunft hat, ihre Chance auf eine solche Zukunft sieht, oder ob sie sich an uns rächen wird, von einer dumpfen Hoffnungslosigkeit übermannt.

Das Kapital ist auch deswegen am Ende, weil es sich nicht nur als Patriarchat schon so lange und solchermaßen so widerlich präsentiert, sondern nun auch als gierig-schleimige Gerontokratie. Als ein gerontokratisches kapitalistisches Patriarchat.

Die schmutzige Realität der halbfeudalen italienischen korporativen Demokratie
@HansMeier555: Von welchem „kommunistischem Deutschland“ ist hier die Rede? Und zu den Möglichkeiten der „Abwahl“ eines Berlusconi, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die Wahlen in Italien, gleich nach dem 2. Weltkrieg, also kaum dass dort überhaupt mal gewählt werden durfte, manipuliert worden sind. Mit sehr viel Geld, mit brutalen Unterdrückungsmethoden, wie mit einem Heer von bezahlten Ideologen. Aus jener Bruderschaft von CIA, Mafia, Vatikan und die Ex- wie Neofaschisten (den von diesen Kräften dominierten italienischen Geheimdienst nicht vergessend, der immer wieder durch die verschiedensten Verbrechen in die Schlagzeilen geriet) entstand so etwas wie eine Art korporative Demokratie. Einer Demokratie, in der der Feudalismus, insbesondere der der katholischen Kirche niemals angetastet wurde. (So sollen 40 % des Grundbesitzes in Italien der katholischen Kirche gehören!) In Italien muss man sich also nicht nach dem Feudalismus sehnen, denn er ist dort immer noch Realität, schmutzige Realität!

Wir wissen davon nicht erst seit Tim Weiners „CIA“, was ich dennoch sehr empfehle, zu lesen, denn es wird somit kaum noch zu leugnen sein, was die Linke schon seit Jahrzehnten wusste. Auch die Linke selber, die vormals revolutionäre wie die schon immer reformistisch-klerikale, wurde ebenfalls kräftig geschmiert.

Nicht von ungefähr kam der erste Abfall vom Kommunismus genau von jenen Kräften, die bis dato auf völlig stalinistisch machten, nämlich von den italienischen Kommunisten. Eben jenen, die so unglaublich schnell ihren Partisanen die Waffen abnahmen, nachdem die Amerikaner die italienischen Faschisten besiegt hatten, dass selbst Bernardo Bertolucci, ein für mich nicht gerade überzeugender „Marxist“, dies in seinem Epos „1900“ deutlich hervor hob.

Welche Möglichkeiten da ein bis dato in weiten Teilen des Landes „ungebildetes“ (von Kirche, Staat oder Mafia missbrauchtes) Volk haben sollte, also auf welche Weise eben dieses Volk mit solchen Kräften fertig werden soll, das wäre jetzt mal unter ganz neuen Bedingungen zu erforschen.

Ich bin diesbezüglich optimistisch. Was die Araber können, dürften auch die Italiener können. Vielleicht sogar besser als diese.

„Gutmenschen“?
@HansMeier555: Der Begriff des „Gutmenschen“ ist übrigens einer aus der Nazizeit, welcher die dann folgende Barbarbei a priori quasi zu rechtfertigen suchte. Ich würde nicht so bedenkenlos damit umgehen!

Wer hat es erfunden?
@HansMeier555: Wikipedia nach waren sehr wohl die Nazis die „Erfinder“. Aber selbst wenn nicht, durch diese ist „Gutmensch“ definitiv verleumderisch, wenn nicht gar höhnisch-rassistisch, besetzt:
„„In einem Memorandum des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) wird festgehalten, das Wort sei als politischer Kampfbegriff bereits 1941 benutzt worden. Strittig sei lediglich, ob Joseph Goebbels persönlich das Wort ersonnen habe, oder ob ein Redakteur der Zeitschrift Der Stürmer der Urheber dieses Begriffs war. Dort wird aufgezeigt, daß „Gutmensch‘ […] auf das jiddische ‚a gutt Mensch‘ zurück[geht], womit von den Nationalsozialisten auch ein Bezug zu den ‚lebensunwerten Juden‘ hergestellt werden sollte. Adolf Hitler hat in seinen Reden und in ‚Mein Kampf‘ ebenfalls die Vorsilbe gut als abwertend verwendet. So sind für ihn gutmeinende und gutmütige Menschen diejenigen, die den Feinden des deutschen Volkes in die Hände spielen.““

Kontaminierte Semantik
@Koentges: Es kommt darauf an, was man beweisen will. Mir reicht der Nachweis, auf welche Weise die Nazis den Begriff gebrauchten und damit die semantische Nachwelt nachhaltig kontaminierten, dass sie ihn auch selber erfunden haben, ist ehe nur eine zweitrangige Annahme (auch schon beim DJV war das auch nur eine solche). Ich nehme ehe an, dass die Nazis weniger erfunden haben als wir alle glauben (sollen). Dass die Nazis aber die Unverfrorenheit besaßen, ausgerechnet auf die jiddische Sprache zu rekurrieren, das muss nicht eine falsche Annahme sein. Ihr diesbezüglicher Zynismus war schließlich bekannt. Inwieweit das allerdings auch in diesem Fall belegt ist, ist wirklich nicht das Thema für hier.

Viel wichtiger ist im Übrigen, dass auch heute wieder dieser Begriff in der konservativen Szene eine ganz spezielle Hochkonjunktur hat, sodass die Analogie zur Nazisemantik auch so belegt ist. Und um das bewiesen zu bekommen, muss man nur mal die FAZ-Kommentare (nicht erst seit Sarrazin; HansMeier555 lag daher nicht ohne Grund eben nicht ganz falsch, wenn er bisher annahm, dass das quasi eine „Neuschöpfung“ aus den 80ern gewesen sei, man muss nur hinzufügen: seit der Zerschlagung des „Realen Sozialismus“) querbeet lesen. Ein Wiki-Eintrag könnte hierzu durchaus noch folgen.

faz.net/blogs/stuetzen/archive/2011/04/25/das-festmahl-der-gerontokraten

   Sende Artikel als PDF   
Dieser Beitrag wurde in Blogs veröffentlicht. Ein Lesezeichen auf das Permalink. setzen. Kommentieren oder einen Trackback hinterlassen: Trackback-URL.

Einen Kommentar hinterlassen

Sie müssen angemeldet sein, um zu kommentieren.