Der ästhetisch getrübte Blick und die gewohnte Semantik
Die „Entdeckung“ dürfte wohl auch damit zusammenhängen, inwieweit wir von unserer gewohnten Semantik abweichen. Wir nennen das auch Perspektivenwechsel. Solange ich da zum Beispiel die Auffassung vertrete, dass die Dinge „doch schon immer so gewesen seien“, bzw. immer so bleiben müssten (ich höre das nicht selten von vermutlich nicht nur konservativen Leuten, und wir erleben das gerade auch im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Atomkatastrophe in Japan), nehme ich Neuheiten per se nicht als solche wahr. Neige ich aber dazu, alles als etwas noch nie Dagewesenes zu betrachten, einschließlich dessen, was ich selber von mir ständig absondere, dann verfalle ich vielleicht dem Wahn, das nur ich als „Entdecker“ belohnt gehöre. Zwischen beiden Extremen befinden sich Welten. Und ich nehme an, dass die wahren Entdecker immer nur Nuancen von der üblichen Semantik abweichen, um sich zum Entdecker profilieren zu können.
Um mal beim Wasserfleck zu bleiben. Auch ich erlebte solches. Es war ebenso ein Wasserfleck an der Decke, neben dem Kamin, der mir da irgendwie auffiel. Eigentlich kommt das nicht selten vor, weil Kamine, wenn sie altern, leicht siffen, oder einfach durch undichte Abdeckung Wasser rein lassen. Meistens ist der Fleck dann auch noch braun, von dem Schwefel, der da mit sifft. Dennoch: auch ich wollte gar nicht glauben, was ich da sah (und ich lebte in einem Altbau, durfte solches also mal erwarten). Aber meine Semantik war die, dass das doch nicht sein dürfte, was ich da gerade sehe. Zumal das meine Ästhetik nicht wenig störte. Ich genoss das Leben im Altbau. Und auch Ästhetik ist eine semantische Kategorie. Mein Vermieter war da schon gelassener, obwohl er für die Kosten aufkommen musste. Ich nehme mal an, dass er solches öfters erblickt. Solches also also ihm keine Neuheiten sind. Doch da sein Blick von keiner Ästhetik getrübt war (er musste nicht darunter wohnen), erlaubte ihm die Vorstellung bezüglich der Kosten, die er da zu erwarten hat, einen etwas geschärfteren Blick. Somit war seine Semantik/seine Perspektive um genau die entscheidende Nuance von der meinigen entfernt.
faz.net/blogs/planckton/archive/2011/03/11/kritik-der-reinen-physik-2-entdecker-und-fast-entdecker
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