Die Zeit, das Licht und der „Geist des Wesens“

Die Zeit, das Licht und der „Geist des Wesens“
Einen interessanten Hinweis darauf, warum die Zeit, als absolute Zeit, nicht mehr die Bedeutung hat, wie im 18. bzw. noch 19. Jhd., fand ich kürzlich so formuliert:
„Im Zeitalter Newtons besteht die Hauptaufgabe des Kapitals in der Regulierung der Zeit, als Voraussetzung für die Verlängerung des Arbeitstages“ (Arbeit Entropie Apokalypse, vgl. auch mein: Philosophus Mansisses, Nachbemerkung…,). Und so sehr die Zeit heute relativ gemessen wird, letztlich an der Lichtgeschwindigkeit (die aber auch abhängig ist, zum Beispiel von einem Vakuum im Raum), so sehr wird auch der Arbeitstag nicht mehr im absoluten Sinne begriffen, sondern im relativen, und dies in Form der Intensivierung der Arbeit(szeit), letztlich abhängig vom sog. Stand der jeweiligen Produktivität. Die Grenzen der Ausbeutung, will heißen: die Grenzen der Umwandlung von Energie in Arbeit, sind gemäß dieses Beitrages in der Entropiezunahme (gem. dem 2. Gesetz der Thermodynamik) zu suchen. Also sucht das Kapital verzweifelt nach Möglichkeiten die Entropiezunahme (Entropie = nichtverfügbare Arbeit, bzw. das Chaos schlechthin) zu umgehen, bzw. zu überlisten.
Die Apokalypse erscheint uns so als Hysterie der Herrschenden, welche sie überfällt, angesichts ihres immer wieder Scheiterns. Jede größere Krise ist ihr dafür ein Beleg. Letztlich aber ist es die „Arbeitsverweigerung“, die ultimative, die, die in der sozialen Revolution mündet.
Die Energie, die auf dem Weg zu einer Revolution aufzuwenden ist, will der, durch Krisen und Revolutionen geläuterte, Bourgeoisie nunmehr als der ultimative Weg zur Schaffung eines perpetuums mobile erscheinen. Jeder Widerstand gegen die Ausbeutung wird in eine neue Kraftquelle verwandelt. Streikt das Weib des Proletariers zum Beispiel, was wir ja gegenwärtig massenhaft erleben, dann schaffen wir diesem Weib einen Ausweg, nämlich in billigen, reichlich Mehrwert schaffenden, prekären, Arbeitsplätzen. Die Grundlage für den Profittransfer an das organisch hochkapitalisierte Kapital (Energiewirtschaft, AKWs etc.), welches solchermaßen fett gemästet, die ganze Klasse wieder wohlfeiler ausbeuten kann, will heißen: ohne dann die für diese Ausbeutung bis dato notwendig gewesenen Sozialkosten. Die Familie ist ehe kaputt.
Diese Prekarisierung der ganzen Klasse treibt diese, und eben nicht das Kapital, ins völlige Chaos. Lässt diese ihre Energie vergeuden, will heißen: ihre ganze Zeit aufbrauchen, und das Problem der Entropiezunahme wird so auf den Klassenfeind verlagert.
Die Zeit, die dafür aufgewendet wird, könnte, wenn sie noch absolut gemessen wäre, also in den Bilanzen des Bourgeois auftauchen würde, einen solchen Aufwand kaum begründen. Zeit scheint kein Geld mehr zu sein, wovon das bigotte Bürgertum vor nicht all zu langer Zeit noch so überzeugt war. Während aber dem Kapital die Zeit offenbar kein Kopfzerbrechen mehr bereitet, wird die Gesellschaft, nicht nur im zeitlichen Sinne, sondern offenbar auch im räumlichen, atomisiert.
Die Lichtgeschwindigkeit ist es, die es als nächstes zu meistern gilt. Aber jedem sollte einleuchten, dass das nur geht, wenn entweder die Masse entsprechend groß ist, oder eben gar keine Masse vorhanden, an der sich ein Lichtphoton mit Masse aufladen könnte. Das Subjekt nicht mehr als Träger von Information, im Sinne von einem durchgeistigten Wesen, wofür der moderne Mensch sich ja hält, nein: jetzt geht es um den Geist des Wesens.

Der diskrete Charme der Bourgeoisie und der Pfeil der Zeit
@specialmarke u.a.: Seit Zenon von Elea das Paradoxon der Zeit mit dem Ausspruch „Der fliegende Pfeil ruht“ erstmals zu erfassen suchte, will es mir doch eher so scheinen, dass eben die Menschheit um diesen fliegenden Pfeil nicht zur Ruhe kommt. Und zwar so sehr, dass selbst die Genies unter uns, wie der Nobelpreisträger Ilya Prigogine zum Beispiel, immer noch die Zeit, will heißen: den Pfeil der Zeit, als Paradoxon („Das Paradoxon der Zeit“) empfinden.
Aber während man sich in der Antike oder auch in modernen Studierstuben darüber wenigstens das Hirn martert, eben ob dieses Phänomens „Zeit“, sei diese nun absolut, fliegend, ruhend oder relativ oder gar gänzlich obsolet, wie uns zum Beispiel die Quantenphysik glauben machen möchte, so scheint man in gewissen Blogs solche Geheimnisse des Lebens in Selbstgefälligkeit ertränken zu wollen. Es beschämt mich ein wenig, dies so beurteilen zu müssen.
Der Text, auf den ich hier referiere, legt eine Theorie nahe, die da besagt, dass Zeit gewissermaßen ein Produkt der bürgerlichen Wissenschaft ist, welche der Maximierung der Ausbeutung, jene Maximierung der Profitrate also, dienlich sei. Darüber kann und wie ich finde soll man auch streiten, denn natürlich heißt das nicht, dass eine solch opportuner Zweck nicht doch auch Wahres produziere. Nur eben immer nur die „Wahrheit“ der Zeit, die nämlich immer auch einen gewissen Klassencharakter hat. Und genau hier liegt auch die Schnittstelle zwischen physikalischen Theorien und sozialwissenschaftlichen. Die Rolex ist eben nicht nur Symbol eines scheinbar unzeitlichen ästhetischen Gefühls, nämlich das innerhalb einer Klasse, die immer noch existiert, ja immer noch die Macht hat, zu existieren, sondern über das Zeitgefühl dieser Herren ihrer Zeit hinaus, dann doch auch das einer historischen Epoche, welche eben auch ein Zeitmaß hat, und damit eben auch das Maß einer Rolex begrenzt.
Takt und Zeit sind unmittelbar mit der jeweiligen Klassenherrschaft verbunden. Der Takt der Moderne ist ein völlig anderer als der der Vormoderne, und ähnliches gilt fürs Zeitgefühl. Nur ist das Zeitgefühl ein erheblich agileres als das des Takts, es unterliegt diskreteren Entwicklungsetappen.
Analog oder digital, könnte man auch als diskret oder eben übergangslos übersetzen. Der diskrete Charme der Bourgeoisie scheint mit dem Übergang der Rolex in die Hände gewisser „Proleten“ (ich meine nicht den Proletarier) dahin gegangen zu sein.
Oder um es ganz krass zu sagen: Wer heute noch Rolex trägt, ist ein „Prol“ und kein Bourgeois, einer auf jeden Fall, den der Pfeil der Zeit weit hinter sich gelassen hat.

@specialmarke: Nachtrag: Dass die physikalischen Theorien, klassenneutral zu verstehen seien, sozusagen einen subjektlosen Zugriff auf die wahren Naturgesetze ermöglichen, ist eben eine Mär jener Klassengesellschaft. Und dass Sie das so juckt, also geradezu unfreundlich werden lässt, will mir doch zu denken geben.

Mobbende Phantome
@specialmarke: Ich weiß nicht, woher Ihre Wut kommt, aber Sie prügeln da auf ein Phantom ein. Also, ich wüsste nicht, wo ich jemals Totschläger oder mobbende proletarische Massen hinter mir her gezogen hätte. In meinen Ausführungen können Sie diesbezüglich keine Hinweise finden. Außerdem bin alles andere als ein Gewerkschaftsfunktionär, und schon gar keiner mit einer bürgerlichen Existenz. Ich weiß nicht, woher Sie solches nehmen, so gut kennen wir uns doch gar nicht. Ich bin ein bedeutungsloser Vertrauensmann, und auch dort auf der äußersten Linken, ein ultimative Gegner eben jener „bürgerlichen Gewerkschaftsfunktionäre“. Oder was glauben Sie, was ich hier vertrete? Die Gewerkschaftslinie?
Im Übrigen geht es mir hier nicht darum Leute zu denunzieren, ob sie nun Rolex tragen oder nicht, sondern den Metapher Rolex entsprechend dem Thema, nämlich dem der „Zeit“, anders zu gewichten, als Sie das vielleicht tun. Es geht mir hier um das Verhältnis von Klassenideologie und objektiver Wirklichkeit (die Schnittstellen zwischen Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften, Paradigmen, Theorien und Kategorien, die einem ganz bestimmten Klassenbewusstsein entsprechen), also wenn Sie so wollen, dem Verhältnis zwischen dem gesellschaftlichen Sein und Bewusstsein.
Tragen Sie was Sie wollen. Keiner wird Sie deswegen einen Proleten schimpfen, es sei denn, Sie selber tun das.

faz.net/blogs/stuetzen/archive/2010/07/01/der-verfuehrer-hayek-und-seine-willenlose-beute

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4 Trackbacks

  • Von Es war da mal ein Sozialismus… am 14. Juli 2010 um 17:40 Uhr veröffentlicht

    […] habe mich da erst kürzlich zu geäußert und auch auf einen entsprechenden hingewiesen (vgl.: Link); und natürlich bezog ich umgehend Prügel, da ich angeblich die Naturgesetze auf die Gesellschaft […]

  • Von Das Elend der „verhausschweinten“ Gesellschaft am 14. August 2010 um 00:58 Uhr veröffentlicht

    […] Ich erwähnte es erst kürzlich, u.a. auch im Blog von Don Alphonso („Die Zeit, das Licht und der „Geist des Wesens“), nämlich dass die jeweiligen Perspektiven abhängig sind von den jeweiligen Klasseninteressen der […]

  • Von Denn Wissen war da mal Macht am 27. Oktober 2010 um 17:51 Uhr veröffentlicht

    […] muss, um das Leben zum Überleben zu befördern, eine notwendige Summe an Gütern, welche die Entropiezunahme begleiten, nicht mehr, nicht weniger. Gut gemischt, aber dünn geworden, scheint sie, die Suppe, […]

  • Von Der Kosmos ist nur dialektisch zu begreifen am 8. April 2011 um 20:17 Uhr veröffentlicht

    […] eine Richtung gigantische Massen ansammeln – auf größtmöglichem Raum und somit unregelmäßig/“chaotisch“ verteilt (und eigentlich nur durch die „Entropiezunahme“ geordnet -, und in die andere Richtung […]

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