Tragikomische Gestalt eines immer zu spät Gekommenen

Taktische Differenzen
@Sener Sen: Das allein reicht einem Erdogan aber sicherlich nicht für eine Solidarität mit dem kurdischen Volk als unterdrückte Nation, sondern günstigstenfalls mit dem sunnitischen und als solchen „wohlgläubigen“ Teil dieses Volkes. Ein Großteil der Kurden werden aber gleich doppelt, bzw. dreifach unterdrückt und ausgebeutet: als nationale Minderheit, als religiöse Minderheit (als Aleviten oder Christen) und schließlich und endlich als Bauern und Arbeiter (von zum Teil kurdischen Grundbesitzern und Großbourgeois). Die Politik eines Erdogan zielt darauf ab die Kurden als sunnitische Verbündete zu ködern, in seinem Kampf gegen religiöse, nationale und soziale Befreiung der gesamten Türkei. Sein Ziel ist eine islamische Großtürkei, nicht zuvorderst mehr ein türkischer Nationalstaat. Und genau darin kracht es gelegentlich in seinem Verhältnis zu den Kemalisten. Es unterscheidet ihn letztlich nur eine taktische Differenz zu den großtürkischen Nationalisten, denn auch ein Erdogan träumt von einem pantürkischen, nämlich türkisch-sunnitischen Großreich.

Tragikomische Gestalt eines immer zu spät Gekommenen
Nach wie vor sind die Differenzen innerhalb der islamischen Welt größer als ihre (gemeinsame) Feindschaft gegen Israel. Virtuos versucht sich Erdogan im Klavierspiel nach abendländischen Taktvorgaben, wo er doch nur die Panflöte beherrscht. Als Brückenkopf der Nato und dann als wichtigster Partner Deutschlands – als strategisches Pendant zu Israel (aus der Perspektive der USA) -, und nun als lokale Großmacht im Streit (mit dem Iran zum Beispiel!) um das (islamische) postsowjetische Erbe, usw. usf., und dies immer auch vor dem Hintergrund des nicht tot zu kriegenden kemalistischen Erbes, welches nur dem „Türken“ erlauben möchte „glücklich/stolz“ zu sein (und was als rassistisches Vorbild gar in Hitlers „Mein Kampf“ Verewigung fand). Fest eingebunden in westliche strategische Ziele, scheint dieses Geschimpfe gegen Israel doch mehr nach innen als nach außen gerichtet, so als könne er den Geist, den er rief, nicht mehr Herr werden. Nasreddin Hodscha lässt grüßen – nur nicht als mythischer Volksheld, sondern als tragikomische Gestalt von einem immer zu spät Gekommenen.

faz.net/Türkei will Druck auf Israel ausüben:„Wir erlauben niemandem, unsere Bürger zu töten“,07.06.2010

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