Die intelligente Lösung und die Grenzen des bürgerlich-demokratischen Staates
@Schmidt: Ich verstehe und teile Ihren Ansatz, aber das „Lumpenproletariat“ das Marx und Engels gemeint haben, ist nicht Teil des (Industrie-)proletariats, sondern ward als „Bodensatz“ der Gesellschaft ausgemacht, welcher sich aus allen Klassen rekrutiert. Sie tun den Betreffenden also keinen Gefallen, sie so zu benennen! Schon der Begriff „Prekariat“ wäre – so verstanden – problematisch, da er suggeriert, es gäbe da etwas, was noch unterhalb des Proletariats angesiedelt sei. In Wahrheit ist es so, dass der Kapitalismus die Gesellschaft immer mehr in die zwei „Hauptklassen“ spaltet (vgl. Kommunistisches Manifest) – Bourgeoisie und Proletariat -, und dass alle dazwischen darin aufgehen, insbesondere das Kleinbürgertum. Eine dem entsprechende soziologische Studie ist mir leider nicht bekannt, aber ich vermute mal, dass das Gros (die, die da auf Sozialleistungen angewiesen sind) der sog. „Alleinerziehenden“ zum Proletariat gehört. Die Gefahr des Missbrauchs ist evident, doch solange nicht auszuschließen, als die „Prekarisierung“ gerade der unteren Einkommensschichten zu solchen „intelligenten“ Lösungen verführt. Hier gerät der bürgerlich-demokratische Staat mit der Repression an seine Grenzen.
Reichlich Wind
@Reinholz: Wenn Sie schon jemanden etwas vorrechnen, dann bitte korrekt: Bei Kinder unter 12 Jahren wird auf jeden Fall, nämlich für den Fall, dass kein Kindesunterhalt eingeht (der vom Bedarf abgezogen werden würde) Unterhaltsvorschuss (das ist eine Jugendhilfeleistung, die dem Unterhaltspflichtigen in Rechnung gestellt werden kann/sollte) gewährt. Dieser beträgt (um das Kindergeld bereinigt) und für Kinder bis 6 Jahren 133 €, bzw. 180 € (bis 12 Jahren), und zwar maximal 5 Jahre lang. In Ihrem Beispiel also wären das insgesamt 626 €, die wiederum abzuziehen wären. Von dem Bedarf, in Höhe von 2350 € wären somit 626 € an Unterhaltsvorschuss und 673 € an Kindergeld (wie Sie selber erkannt haben) abzuziehen, womit einer 5-köpfigen alleinerziehenden Familie (was schon eine eher Seltenheit ist – 4 Kinder nämlich!), von der wir jetzt mal annehmen, dass sie keinen heimlichen Versorger hat, 1051€ Sozialhilfeleistungen zustünden. Damit müssten Sie Frau Beeker recht geben, die da sagt, dass 2000 € – an „Sozialhilfeleistungen“ – kaum zu erreichen sind. Es sei denn, es wäre eine Familie ohne Kindergeld- und Unterhaltsvorschussanspruch, was nur bei bestimmten Personengruppen (Bürgerkriegsflüchtlinge etc.) in Frage käme. Reichlich Wind also.
Wer sich den Doppelverdienerhaushalt nicht leisten kann
@Horst Schmidt: „nämlich die Ehe respektive die Familie, wird durch die Glorifizierung der Alleinerziehenden pervertiert“. Nicht die Unehre der „abzockenden“ Alleinerziehenden, sondern die Ehre der bürgerlichen Familie wird hier debattiert. Denn, so lautet der Zirkelschluss: Wenn schon „bluten“, dann doch bitteschön nur für die bürgerliche Familie. Sind die „Doppelverdiener“ also die Angeschissenen? Ja, aber nicht im Gegensatz zu den Alleinerziehenden. Das Steuerrecht macht es deutlich. Der quasi nur als Taschengeld zu verstehende Zuverdienst der ehrbaren Ehefrau wird steuerlich gerade noch so honoriert, aber Gnade Gott dem, dem da ein paar Euro drüber liegen, dem werden sie vom Übervater Staat sofort wieder einkassiert. Einen Doppelverdienerhaushalt können sich also nur die leisten, die sich eigentlich schon mit einem Einkommen alles leisten können. Bleiben wir also gelassen, oder kritisieren wir richtig, Genossen Männer, denn die falsche Kritik gibt uns der Lächerlichkeit preis. Denn auch: den Kampf um das Eheglück verliert regelmäßig der, der das nicht begreift. So langen bei den „Alleinerziehenden“, wenn sie es denn tun, nur die dem „Übervater“ geschickt in die Tasche, die sich einen bürgerlichen Doppelverdienerhaushalt nicht leisten können!
Konkursfall Ehe und die Düsseldorfer Tabelle
@Baleanu: Die letzten beiden Absätze würde ich sogar unterschreiben, wenn dahinter nicht so eine Art gemeinsamer Verschwörung von Scheidungsfrauen und Anwälten behauptet wäre. Die Gerichte, die Scheidungsrichter und die Anwälte, sind ein Thema für sich, das man zusammen mit dem Interesse des Staates auf Abwälzung von so viel wie möglich Scheidungsrisiken auf die „unterhaltsfähigen“ Unterhaltszahler, betrachten muss – und die Anwälte sind dabei interessierte Erfüllungsgehilfen. Grundsätzlich betrachtet ist Scheidung, mit den entsprechenden Folgen, für die Masse der Bevölkerung – Männer, Frauen und deren Kinder -, Armutsrisiko Nr. 1 oder 2. Die Problematik muss man von dort aufziehen, dann käme man auf einen völlig anderen Ansatz. Ehe und Kinder sich nicht mehr leisten können, das erscheint mir doch im Moment als das Massenphänomen bzgl. der bürgerlichen Familie. Damit ist sie eigentlich gescheitert. Aus der Ehe heraus ergeben sich Unterhaltsverpflichtungen, die alle Beteiligte im Schadensfall in den Totalkonkurs treiben. Und genau dagegen möchte sich der Staat, trotz dessen Interesse an der Ehe wie am Nachwuchs, absichern. Die „Düsseldorfer Tabelle“, der in der Tat bedenkenlos gefolgt wird, von Richtern wie von Behörden, wirkt wie eine Konkursinstanz.
faz.net/Alleinerziehende: Die Hätschelkinder der Nation, 24.01.2010