Bühnenwechsel

Bühnenwechsel
Der eigentliche Witz an der Sache ist doch, dass ausgerechnet der Chef-Redakteur der BILD Genosse der TAZ ist. Will er diese Zeitung gar unterwandern, oder einfach nur brüskieren? Und offenbar scheint ihm das gelungen – sowohl als auch. Die TAZ hat sich mit dieser Aktion definitiv auf Bild-Zeitungs-Niveau herab gelassen und sich damit zugleich unendlich blamiert. Und auch letzteres im doppelten Sinne: Denn sie übernimmt ohne Zögern dabei die „Arschkarte“, wie diese eigentlich der BILD zugedacht war. Die BILD erscheint nicht nur als seriös, sondern als der wahre Herr des Geschehens, und – das ist der Skandal – als das eigentliche Satire-Blatt. Die TAZ steigt in die Rolle einer BILD, wie sie zu Axel Springers Lebzeiten nicht primitiver hätte erscheinen können und zugleich nicht humorloser. Aber eines muss man Kai Diekmann lassen: er scheint nicht nur schauspielerisches Talent zu haben, sondern auch das des Regisseurs. Vielleicht sollte er die Bühne wechseln – auf die „Bühne“ wechseln. Die Frankfurter „Schmiere“ böte sich da an.

Die Einbettung muss man treffen!
@Mense: Es gibt nur eine Waffe gegen „Spielchen“, sie nicht mitspielen. Wann und wo die TAZ den Ausstieg hieraus aber versäumt hat, lässt sich aus der Perspektive des Lesers nicht erkennen. Auf jeden Fall aber ist das der vorläufige Höhepunkt einer Kritik, die ja eigentlich gegen das System sein sollte, die sich auf die Denunziation Einzelner kaprizierte. Nicht nur die a- soziale Polemik, wie sie aus gewissen Teilen einer sich als militant verstehenden Richtung innerhalb der Linken kommt – „Schweinesystem“, ist eine absolut inakzeptable politische Semantik, denn auch eine Anleihe an antisemitische Vorbilder (vgl. auch den „Heuschreckenmetapher“, welcher zeigt, wie wenig „links“ solche Begriffe belegt sind), sondern eben auch die Zuspitzung des Klassenkampfes gegen einzelne politische oder mediale Repräsentanten wirkt – theoretisch wie praktisch – als eine nach hinten gehende Zeitbombe. „Die Springerpresse“ ist ein gern benutzter und solchermaßen beflügelter AgitProp-Begriff, hat aber doch der Linken mehr geschadet als genützt. In jeder Hinsicht. Der Gegner ist nicht die Presse, nicht Teile von ihr, nicht mal diese im Ganzen, sondern „das Ganze“, welches auch diese Presse einbettet. Die Einbettung muss man treffen!

faz.net/Interview mit „Bild“-Chef Kai Diekmann: Weil die „taz“ sich ändern muss, 25.11.09l

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