Gegen ihre Stützen muss man treten

Gegen ihre Stützen muss man treten
Nicht jene französische Rötelfrivolität, die da der modernen Pornographie – im Netz oder sonst wo – gleich gesetzt wird, ist der Skandal, noch die literarische Form in der das dem Publikum geboten wird, sondern die hier gebotene Naivität gegenüber den Herrschenden, den wahren Herrschenden. Nicht erst seit den Stürmen in Teheran, Isfahan und anderswo wissen wir doch, dass das Netz nur im beschränkten Sinne dem Aufstand dienlich ist.

Wir wissen doch, dass die Software längst geschaffen ist, die uns allen demnächst, das – gewaschene wie das ungewaschene – Maul stopft, so wie die Herrschenden – Päderasten oder nicht – ihren Opfern ungefragt die Körperöffnungen. Die einen wie die anderen haben die Macht dazu, hierzu gilt es sich zu verhalten. So schön die Literatur, so sinnlos ist sie, vor allem dort, wo nicht verstanden: unter den Massen. Wir müssen ihn offen austragen, diesen Kampf, der doch eigentlich ein Krieg ist, Klasse gegen Klasse, nicht versteckt, hinter metaphorischen und anderen Ausdrücken äsopischer Sprachkunst.

Das Netz ist das ultimative Machtmittel der Herrschenden, das Mittel, das die Macht, die abstrakte Macht, auf die derzeit höchste Spitze zu treiben vermag. Es macht die Macht so abstrakt, wie das Kapital virtuell. Das müssen wir begreifen, aufgreifen und zum Gegenstand des Kampfes machen, die Gegenwehr führen. Zum Mittel der Gegenmacht kann es werden, aber nur im Rahmen der Erkenntnis, dass es das in der Hauptsache eben nicht ist.

Die Macht wird nicht verschwinden, durch ihre Abstrahierung, noch wird das Kapital obsolet im Webspace, sowenig wie die Klassendifferenzierung überhaupt (auch ein derzeit noch schändlich überzahlter Auftragsblogger, in einer großen deutschen Zeitung, kann recht bald ein Proletarier sein, einer, der nichts mehr hat, außer die Kraft seiner Arbeit). Auch die Pornographie wird nicht verschwinden, sowenig wie die Welt der Waren, das Zeitalters des Patriarchats, das Reichs des Elends, der Notwendigkeit, der Lohnarbeit, wie überhaupt die Frivolität des Herrschens, jener doch recht eigentlichen Frivolität.

Den konservativen Anläufen – sie nennen das voll der Selbstverblendung hin und wieder Revolution – auf all dies und jenes, gilt das entgegen zu halten, jene Heuchelei, ihre Besitzstandsideologie, ihre Doppelmoral, ihre Schliche und Tricks, schlicht: ihre Klasseninteressen, ihr falsches wie gleichermaßen verlogenes Bewusstsein.

Das Netz schafft neue Paradigmen, radiert alte aus, zerschlägt Besitzstände, demaskiert Konservativismus und Heuchelei, denn es wirkt demokratisch, gleichmachend, aber das ist nur der Schein. Denn, wenn auch dies im Widerspruch steht zur konservativen Ideologie, es steht nicht im Widerspruch zu ihrer konservativen Welt, dieser materialen Welt, jener aufgeteilten – in Kapital und Arbeit. Diese muss man stürzen. Gegen ihre Stützen muss man treten.

faz.net/blogs/stuetzen/archive/2009/06/29/nicht-von-der-leyen-oder-das-huebsche-gesicht-der-unterdrueckung

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