Die hässlichste Gardine als Augenweide
@Kampfstrampler: Bei den „Heiden“ hatte dann wohl der Vater die Frauen seiner Söhne, oder die Brüder teilten sich in die jeweiligen Schwägerinnen. Solches, vor allem letzteres (zumal die Schwägerin nicht nur zu versorgen war, sondern auch was zu erben hatte), im katholischen Bayern eher Tradition als „Sünde“, wäre aber einem calvinistischen Patriarchen unvorstellbar. Das Problem bei den Calvinisten dann aber: Erbstreitigkeiten zwischen der jungen Witwe des Alten und den Kindern eben desselben. Mord oder Heirat wären dann die verbliebenen Optionen für den, der statt/mit der Witwe erben möchte. In Bayern hat man sich da wohl eher mal von einem Alten getrennt, der sich an den jungen Weibern vergriff, oder der (sein Erbe) nicht früh genug abtreten wollte.
Vorhänge sind im Übrigen nur dort interessant, wo es genügend große Fenster gibt. In Bayern sind die Fenster eher klein – in den älteren Häusern. Kalte Winter und heiße Sommer ließen das angesagt sein.
Wo also die Fenster das Problem sind, hat(te) man ein Problem. Bei den Muslimen ist das übrigens auch ein Problem. In der Türkei baut man vor die Außenfenster (im Gegensatz zu den Fenstern in den Innenhof) wenigstens sichthohe Mauern, und im Iran gibt es eine Vorschrift für den Fenstereinbau. Bei neueren Bauten ist die Mindesthöhe eines Fensters 1,30 m gesetzlich vorgeschrieben (gegen vorrevolutionäre 0,80 m). Die hässlichste Gardine ist dagegen eine Augenweide.
Der Bauer blieb Schlachtvieh
@Diener/hugoservatius: So wie die Aufklärung in Deutschland eine preußische Angelegenheit war, so diente sie dem preußischen Aufstieg zur deutschen Vormacht, will heißen: der preußischen Aufrüstung, der Rekrutierung einigermaßen freier Soldaten/Bauern, die, soweit sie an die Scholle gebunden blieben, eben nicht frei waren. Der Krieg entband sie von der Scholle, und durch diesen Krieg wurden sie gebildet, auch zur Nation geformt, das war die preußische Aufklärung. Der dann aber proletarisierte Bauer, der von der Scholle in die städtische Arbeitsarmut Entlassene, hatte für Aufklärung keinen Sinn. Er bildete sich nicht, es sei denn nur innerhalb gewisser sozialdemokratischer Zirkel, und er formte sich nicht zur Nation, es sei denn zur parallelen – der preußisch-deutschen Nation entgegen gesetzt.
Bis zum 1. Weltkrieg kann man daher die Aufklärung als eine im Prinzip gescheiterte ansehen, jedenfalls im Sinne der Aufklärung eines Kant, Voltaire…, aber auch im Sinne eines Friedrich des Großen, denn ein klassenbewusstes Proletariat war das letzte, was er sich darunter vorstellte. Allerdings hatten sich die Zeiten geändert: Der Adel verarmte, mit dem Import billiger Kolonialwaren, vor allem an Lebensmitteln (siehe auch: Philip Blom/ „Der taumelnde Kontinent – Europa 1900-1914“) – ein Urgrund für eines Deutschlands Aggressivität, dessen Kriegslüsternheit -, und die Bourgeoisie scherte sich einen Teufel um die Aufklärung der Massen, soweit diese nicht in der Produktion nützlich gewesen wären. Die Aufklärung, die da im Anmarsch war, hieß: Taylorismus/Fordismus/Industrielle Massenproduktion, und so mit im Gepäck: industrielle Massentötung.
In Frankreich dürfte das etwas anders gewesen sein, bedingt durch die Franz. Revolution. Einem französischen Bauern kann man heute noch kein x für ein u vormachen. Und der französische Arbeiter bleibt ebenso radikal wie der Bauer, von dem er entstammt, und dessen er sich auch bewusst bleibt.
Die „Grande Nation“ ist in Frankreich auch so etwas wie Klassenbewusstsein, gespaltenes, jede Klasse hält das, wie sie denkt, aber doch immerhin ein Bewusstsein der jeweiligen Macht – politisches Bewusstsein, wahre Modernität. Man hält Abstand voneinander, denn man weiß den jeweils Anderen zu fürchten. Die Identität als Franzose ist auch eine im Bewusstsein ihrer jeweiligen Macht – Klassenmacht, Distanzmacht.
Der 1. Weltkrieg änderte das auch in Deutschland. Die Sozialdemokratie wurde zur Kriegspartei, der deutsche Proletarier chauvinistisch, nationalistisch, verspätet aufgeklärtes Subjekt. Er löste den Bauern dahingehend ab, als Schlachtvieh (Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“, ist die für mich immer noch unübertroffene Allegorie hierzu). Und im Wesentlichen ist uns diese Art von Aufklärung geblieben – im gedoppelten Schlachtsubjekt: Als Schlachter und als Schlachtvieh, eines, seine Klasseninteressen ständig nicht begreifen wollendes Subjekt.
Das Klassensubjekt hat sich auf eine Minderheit reduziert, der gebildeten Minderheit – in allen Klassen. Daher ist in Deutschland die Aufklärung nunmehr so etwas wie Sache der „Intellektuellen“, und dort zu einer ethischen Veranstaltung geschrumpft. Definitiv nicht im Sinne eines Kant oder eines Bloch, oder gar eines Brecht (für mich ist Bloch ein später Aufklärer, einer für die marxistische Seite, welche nötig wurde, nach den diversen Sündenfällen des Proletariats), die alle wussten, dass Ethik, Moral, Kultur und Vernunft kritische, ja prekäre Begrifflichkeiten sind.
faz.net/blogs/ding/archive/2009/07/21/bollwerk-der-privatsphaere-die-gardine