Anti-Marx

Wenn der Chef des FAZ-Feuilletons, Herr Geyer, ein bekanntlich nicht Konservativer, einen solchen Beitrag nicht sendet, dann scheint der gesessen zu haben. 2. Versuch!
Nachtrag: Der 2. Versuch hatte Erfolg.

Anti-Marx
Sieh an, unser Anti-Marx, Anti-Karl-Marx, Bischof Marx. Zunächst noch, tat er so, als wäre er nur ein gewöhnlicher konservativer Streiter, welcher da mit außerordentlichem Schneid dem „Das Kapital“ die revolutionären Flausen auszutreiben sucht, na klar: die Christen waren schon immer die besseren Marxisten. Dass sie auch die eigentlichen Aufklärer sind, sozusagen die Christen unter den Aufklärern, ist doch logisch. Eine neue Epoche erscheint da in allen himmlischen Plenen, die Renaissance der Scholastik, über Aquin hinaus – zu Bischof Marx. Ein neues „philosophisches System“ (Engels/Anti-Dühring) vielleicht gar, ein christliches, ein marxistisches, ein antimarxistisches und ein antikapitalistisches zugleich, nicht eben einfach nur ein anti-modernes. Vor rund 130 Jahren gab es schon einmal einen solchen Artisten, einen gewissen Herrn Dühring, auch so einer, der es mit der Umwälzung der Wissenschaft so ernst nahm, dass Friedrich Engels sich endlich genötigt sah, den „Anti-Dühring“ zu verfassen. Eine philosophische und zugleich politisch-ökonomische Streitschrift, die dem „Das Kapital“ von Karl Marx, wenig nachstand. „Adept“ wie „gleichzeitig Reformator des Sozialismus“ (Vorwort zu den drei Auflagen, S. 1), wollte er gewesen sein, jener Dühring, verblüffend, diese Ähnlichkeit in der Kopie.

Freund und Feind zugleich
@Schönberg: Die Reformation ist, soweit sie sich als religiöse Alternative verstand, und von welcher sich gerade Luther später distanzierte, den spätmittelalterlichen antifeudalen Klassenbewegungen der Bauernschaft zuzuschreiben; sie ist politisch besehen die soziale Theorie einer prä-kapitalistischen, sprich: (klein-)bürgerlichen Utopie (Hussiten in Böhmen, Bundschuh im deutschen Bauernkrieg). Und wo sie nicht religiös ist, nehmen wir die anglikanische aber auch calvinistische Richtung, ist sie die politische Theorie der Bourgeoisie selber, welche sich, gerade darauf rekurrierend, mit dem Adel arrangiert. Somit ist die Reformation, soweit sie in der Tradition der Aufklärung steht, der Theologie nicht zuzuschlagen, sondern Ausdruck der bürgerlichen Befreiungsbewegung. Darin begründet sich die positive atheistische wie historisch-soziale Bezugnahme der Marxisten zur Aufklärung. Bischof Marx hingegen spekuliert gerade auf die antiaufklärerischen, sprich klerikalen Gemeinsamkeiten des Großbürgertums mit dem Adel, um die Aufklärung somit trickreich zu vereinnahmen, während er gleichzeitig die gegnerischen Ideen und Ansätze, siehe „Das Kapital“, plündert, um sie zu desavouieren. Freund und Feind zugleich. Das wiederum steht voll in der Tradition der katholischen Kirche.

Ein neues Lebensgefühl
Alle Gewalt, gleich ob von säkularen oder kirchlichen Fürsten, richtete sich immer und ausschließlich gegen das Volk. Die französische Revolution proklamierte nicht nur eine Gleichheit, eine Freiheit, eine Brüderlichkeit, die es zuvor in dieser Form, als Recht der Massen nämlich, nie gegeben hat, sondern auch ein Gefühl, das weit über diese bis dato ungeheuerlichen Zielen noch hinausragte: Revolution ist gerechtfertigt. Die Bergpredigt verkündete wohl ein Gefühl von Gleichheit und Brüderlichkeit, aber schon bei der Freiheit war es damit zu Ende. Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und das war vor allen Dingen die Freiheit. Die Aufklärung nahm im gewissen Sinne und ironischerweise ihren Anfang aus der Mitte der katholischen Kirche heraus. Die Lust am Luxus, seitens der Kirchenfürsten, beförderte nicht nur eine neue Richtung in Kunst und Kultur, sondern eben auch ein neues Lebensgefühl, ein leichteres, ein durchgeistigtes, aber ein irdisches, das der Renaissance, und dies eben gerade auch unter den bis dato noch unter der Schwere der danteschen Höllen schmachtenden Armen. Und die Schwere eines Kant wäre ohne die Leichtigkeit eines Voltaire nicht nur unerträglich, sondern womöglich gar gegen die Aufklärung gerichtet.

faz.net/Bischof Marx und die Aufklärung: Aufgeklärt, 14.07.2010

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  • Von Die, die den Zombie zum Fetisch gemacht hat am 24. September 2010 um 21:49 Uhr veröffentlicht

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