Der Weg in die innere Immigration

Der Weg in die innere Immigration
Auch wenn ich dem gerne zustimme, wenn sie erklärt, dass Integration jetzt nun noch schwerer geworden sei, so halte ich es für problematisch hier einfach die Thesen des Deutschen Sportbundes zu kopieren. Dort wie hier wird ein bürgerliches, nämlich mittelstandsdeologisches, Pädagogikkonzept statt Politik gepredigt. Dem Deutschen Sportbund und seinen Ablegern mag es ja gelingen den einen oder anderen aus den Slums dieser Welt zu einem Fussballstar heran zu bilden, nur am Auftrag Massensport (als Teil einer allseitigen Bildung gar) ist er längst gescheitert. Und anders dürfte es auch nicht einer Karateschule unter gewissen Migrantenmilieus ergehen. Die Versäumnisse liegen eben nicht (nur und schon gar nicht hauptsächlich) in der Bildungs-, bzw. Freizeitsgestaltungsebene sondern in der harten politischen Realität der Klassenverhältnisse in Deutschland. Eine derart undurchlässige Klassengesellschaft benachteiligt selbstredend all die, die von ganz unten, oder von ganz außen, einzusteigen wünschen. Und die mit den schlechtesten Chancen, resignieren als erste. Gehen den Weg in die innere Immigration, in die Parallelgesellschaft womöglich.

Habitueller Rassismus
@Berger: Wer den ernsthaften Diskurs führen möchte, sollte solche Zoten meiden: „kann ich dann Nacktschwimmen mit Proseccoausschank fordern?“ Hinter dem Deckmantel der Integration verbirgt sich all zu oft nur die blanke Provokation. Und genau diese ist es, was besonders muslimische Migranten aufhorchen lässt. Trotz möglicher Schwächen in der ihnen fremden Sprache, haben sie ein feines Gespür für gerade falsche Zungenschläge. Vielleicht ist auch jener, und ich nenne ihn mal, habituelle Rassismus, genau der, der die Arroganz nicht als unzivilisiert begreifen möchte, und darin vielleicht auch der Grund, der es Ihnen so schwer macht qualifiziertes Personal zu bekommen. Und auch dies betrachte ich als ein Synonym für das was ich Klassenundurchlässigkeit nenne. Undurchlässig nicht wegen der offenkundigen Hindernisse (Lohnarbeit./.Kapital), sondern eben wegen der von Bourdieu so benannten „feinen Unterschiede“. Diese feinen Unterschiede sind nicht da, wo Sie sie womöglich vermuten, nämlich dort, worin Sie sich vom marxschen „Lumpenproletariat“ getrennt sehen wollen (Marx meinte damit übrigens die Abfallprodukte aus allen Klassen, vornehmlich der kleinbürgerlichen Schichten), sondern eben einfach nur dort, wo nicht wenige Migranten gutes Benehmen vermissen.

Pseudofakten
@Köhler: Ich arbeite nun seit mehr als 25 Jahren in der Branche, in der „Transferleistungen“ fließen, nämlich im Sozialamt, und ich kann daher wohl ein wenig mehr als scheinbare „Tatsachen“ beisteuern. Fakt ist, dass bis etwa zum Fall der Mauer, will auch heißen: bis zu den diversen Kriegen und Bürgerkriegen in Exjugoslawien, Afghanistan, und den Masseneinwanderungen aus dem ehemaligen sowjetischen Block, die Migranten innerhalb der Sozialhilfeszene eine zu vernachlässigende Größe spielten. Ganz besonders die Türken sind erst Mitte der 90er Jahre größer in Erscheinung getreten. Der Grund ist einfach: Während in den Jahrzehnten zuvor die billigen aber zum Teil qualifizierten Arbeitskräfte (z.B. aus der Türkei) vor allem deutsche (oftmals qualifizierte, bis dato teuere) Arbeitskräfte vom Arbeitsmarkt (und diese somit auch in Richtung Sozialamt) verdrängten, mussten nun diese billigen ausländischen Arbeitskräfte, vor allem dann eben den Türken, ähnliches erleiden. Die noch billigeren, nämlich zum Teil auch schwarz arbeitenden, Arbeitskräfte aus dem Osten verdrängten diese nun wiederum. Hierin müssen Erklärungen gesucht werden, nicht in ethnischen, genetischen oder psychologisierenden Pseudofakten.

faz.net/Sarrazins gefährliche Thesen:„Integration ist jetzt noch schwieriger geworden“, 14.09.2010

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Ein Trackback

  • Von Eine dritte Sicht auf die Welt am 12. Oktober 2010 um 21:23 Uhr veröffentlicht

    […] Ich sage es mal ganz konkret: Wer mit Migranten lebt, so wie ich, also gewissermaßen vor dem Migrationshintergrund des Anderen schon seinen eigenen hat, der muss einen besonderen Stil haben, ja der muss geradezu eine besondere Form der Kritik wählen, eine solche, die sozusagen die beiderseitigen Sprachbarrieren berücksichtigt. Er muss auf jeden Fall jede Art von Provokation meiden, ohne dabei als Schwächling missverstanden zu werden („Der Weg in die innere Immigration“). […]

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