Es zerstört den ganzen Mann

Ist doch wirklich interessant, dass der 2. Beitrag bisher von der FAZ nicht gesendet wurde. Der „Hofjournalismus“ scheint sich getroffen zu fühlen. Oder ist es der Bezug zum Antisemitismus, den die FAZ hier stört? Auch der 2. Versuch scheitert. Versuche es ein 3. Mal.

Es zerstört den ganzen Mann
Es zeigt sich die Vorliebe des Bourgeoisideologen – und auch der Linke kann ein solcher sein – für die Ästheten seiner Klasse. Kann man doch so den Schmutz des Klassenkampfes unterkehren, oder als Stillleben verkleiden. Es macht gar nichts, wenn man da gegen den Kampf der arbeitenden Klasse für die Arbeitszeitverkürzung hetzt, einen quasi Existenzkampf, den die Klasse von Anfang an zu führen hatte, die Hauptsache man findet dafür die richtigen Worte. Und ja, ein wenig Selbstbeweihräucherung ist da auch mit dabei, wo doch die Sozialdemokratie schon lange die kämpfende Klasse durch die schwätzende ersetzt hat. Nur so schön schwätzen kann man halt noch nicht, genannter Bourdieu sagte es schon: die Distinktion der Klasse – die der bürgerlichen – ist unnachahmlich, ist sie doch längst Teil der Erbmasse. So bemerkt der Kleinbürger, denn das sind die meisten Bourgeoisideologen – Kleinbürger – qua Herkunft, wie auch ob des Klassenstandpunktes, es nicht mal, wenn er sich hoffnungslos zum Narren macht. Denn der Einzug ins bürgerliche Paradies erfordert mehr als die eine oder andere Ablasszahlung, wie sie dem mittelalterlichen Bourgeois noch abverlangt wurde, wo dieser noch um das Paradies der Aristokraten buhlte. Es zerstört den ganzen Mann.

Der Hofjournalismus ist Teil jeder Klassengesellschaft
Hier zeigt sich das Dilemma einer bürgerlichen Kritik am bürgerlichen Journalismus. „Grundsätzlich“ kann eine solche nicht sein, also wird sie beleidigend, die Person schmähend. Die „vierte Gewalt“ im Staat muss in dem Maße enttäuschen, wie die drei anderen Gewalten das schon längst getan haben, ja in dem Maße wie der Bürger sich als Opfer seines eigenen Kapitalverhältnisses sieht. Er kann es nicht begreifen, dass er Subjekt wie Objekt desselbigen ist, ja, dass selbst er sein „automatisches Subjekt“ (Marx) ist. Wir wissen wohin das führt, im äußersten Fall, nährt sich doch gerade der moderne Antisemitismus aus einer solchen falschen Betroffenheit, einer, die da bedauert, nicht jener kleinen Aristokratie innerhalb der Klasse anzugehören, welche da alle Macht im Staate hat, und scheinbar über jede Kritik erhaben ist. Und wenn man auf diese nicht einschlagen kann, nicht nur weil sie die Macht hat, sondern weil man ahnt, dass man sich dadurch selber in Frage stellen würde, schlägt man auf den Überbringer ihrer schlechten Nachrichten ein. Man beschimpft die bürgerliche Journaille ob der „Verbrechen“ über die sie berichtet, bzw. spiegelt. Der Hofjournalismus ist Teil jeder Klassengesellschaft. Will man einen solchen nicht, soll man diese nicht wollen.

faz.net/Abschied vom Journalismus: Man muss gehen, bevor es kracht, 28.12.2010

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