Perlen vor die Säue…

Perlen vor die Säue…
sind die besten Argumente, wenn sie gegen solches streiten: „Es ist unser Geld und unser Land, und wer hierher kommt und kulturell noch nicht einmal in der Lage ist, die Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, der hat hier nichts verloren.“ Denn die (deutsch-)liberale Intelligenz, an den dieser Beitrag appelliert, schweigt aus „guten“ Gründen. Sie lässt den Mob toben. Die Interessen dieser Intelligenz zielen auf Erhalt oder Neuverteilung von Privilegien, und sie können sich in so etwas leicht absurdem wie einem Steueraufstand (Sloterdijk) ausdrücken, aber auch, und das schon wesentlich klarer, in diesem geradezu transnational daherkommenden Rassismus (Sarrazin/Kelek). Man fragt sich längst wofür das alles gut sein soll! Will da wer den Bürgerkrieg? Oder geht es nur um eine solche Lappalie wie eine konservative Mehrheit bei den nächsten Wahlen? Ist die herrschende Kaste so verkommen, dass sie dafür ihre bisher noch zivilisiert erscheinen wollenden Macht riskiert? Es geht vermutlich um mehr: um die nächste Wahl, aber auch um die Ausgestaltung jenes konservativen Revolutionsexperiments – eines asymmetrischen, nicht nur ob des Mangels an Revolution hierin, sondern wegen des unberechenbaren Mischmischens nicht autochthoner Teile der bürgerlichen Intelligenz.

Chauvinismus blamiert die Kritik am religiösen Fundamentalismus,
1. Teil

@Kanaan: Am allerwenigsten darf ein Linker mit dem Strom der Massen schwimmen, gleich welchem. Und genau das tut Frau Kelek. Sie schwimmt da in etwa in demselben Mainstream wie ein Frau Schwarzer. Auch diese denkt, sie könne den einen Rassismus mit dem anderen bekämpfen. Eines Frau Schwarzers Feminismus mag in Bezug auf den männlichen Chauvinismus, den sie vorgibt zu bekämpfen, als antirassistisch durchgehen, nicht weniger, aber auch nicht mehr; doch sowohl ihr „Antiislamismus“ als auch der einer Frau Kelek ist selber rassistisch, also fundamentalistisch konnotiert, chauvinistisch eben. Es gibt eine Art der Kritik, insbesondere aus den Kreisen der türkischen Intelligenz, nämlich an der „Rückständigkeit der türkischen Landbevölkerung“, die selber chauvinistisch ist. Diese Kritik kennzeichnet mehr die Entfremdung der bürgerlichen Intellektuellen vom Volk, als dass sie eine aufklärende oder gar revolutionäre Kritik wäre, gerade nämlich auch an den Wurzeln eines modernen türkischen Islamismus, der nämlich mittlerweile längst in demselben Nationalismus gründet, wie er eben von dieser Intelligenz so bedingungslos verherrlicht wird.

Chauvinismus blamiert die Kritik am religiösen Fundamentalismus,
2. Teil

Die Völker der Türkei wurden gezwungen ihren religiösen Glauben und ihre spezielle nationale Identität (Armenier, Kurden, Assyrer, Aramäer, Griechen, Aleviten, Christen, auch Juden…) gegen die Verherrlichung der Nation der Türken einzuwechseln. Wer zur Kritik eines solchen Chauvinismus nichts taugt, leistet per se der Kritik auch an einem fundamentalistischen Islam der Türken (oder auch der Kurden) einen Bärendienst, so wie übrigens eine Frau Schwarzer dem Kampf um die Befreiung der Frau in der kapitalistischen Gesellschaft einen solchen nunmehr leistet. Kurz gesagt: der bürgerliche Chauvinismus (eine großbürgerliche Arroganz) blamiert die Kritik am religiösen Fundamentalismus, statt einer solchen dienlich sein zu können. Eine solche Kritik ist nämlich nicht grundsätzlich, sondern parteiisch. Sie spielt die eine Religion gegen die andere aus, so wie die eine Nation, oder auch das eine Geschlecht, gegen das andere. Sie dient den Klasseninteressen der Bourgeoisie nicht den arbeitenden Klassen – in Stadt und Land. Eine Kritik am Fundamentalismus von Religionen in Deutschland kann und darf nicht an einer Kritik an der Unterdrückung eben auch religiöser Minderheiten vorbeigehen.

Missbrauch und Volksglaube
@Kanaan: Auch der männliche Chauvinismus ist im Grunde rassistisch konnotiert. Wird nicht bis heute versucht die „Minderwertigkeit“ des weiblichen Geschlechts biologistisch zu belegen? Hier muss das „kleinere Gehirn“ herhalten, wobei in chauvinistischer Manier der Unterschied zwischen der relativen und der absoluten Gehirngröße unterschlagen, bzw. auch Quantität mit Qualität vermischt, wird. Im Übrigen ist das hier nur ein Nebenargument, das die paradox erscheinen wollende Partnerschaft zwischen dem „autochthonen“ Sarrazin, der Feministin Schwarzer und der Soziologin mit Migrationshintergrund Kelek hinterfragt. Gemein ist ihnen ein nämlich bürgerlicher Klassenstandpunkt, der per se immer chauvinistisch, wie eben auch rassistisch, ist. Die Kritik reibt sich an sog. nichtintegrationswilligen Minderheiten, unterschlägt aber den durchaus kritisch zu hinterfragenden Begriff „Integration“ selbst. Und Frau Kelek unterscheidet nicht zwischen der politischen „Religion“ der Herrschenden und der Religion als Volksglaube. Oder um es mit den Worten eines türkischen Einwanderers zu formulieren, welcher sich daran stört, dass der Begriff der Integration ignoriere, dass er selber auch was mitzubringen habe, nämlich als „Angehöriger eines großen Volkes“ (Frontal 21, Interview in der Goetheschule Türkei, 19.10.2010, ZDF).

faz.net/Sarrazins Thesen:Die Biologie spricht gegen Biologismus, 18.10.2010

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