Der Kirchen liebste Saat und der Mangel an authentischer Weltanschauung

Der Kirchen liebste Saat und der Mangel an authentischer Weltanschauung
Die „Findelkinder“ waren den Kirchen immer schon die liebste Saat. Es ist mit Sicherheit nicht falsch anzunehmen, dass so mancher Prediger genau solchen „Gewächsen“ entspross. Und solange eben solch Eigeninteresse der Kirche, wie ja auch im ideologisch/theologischen Bereich deutlich erkennbar, nämlich unter dem Stichwort: Schutz des Ungeborenen, fein säuberlich aus der Debatte herausgefiltert, bzw. eben mal offen eingestanden wird, kann ein wirklicher Diskurs, ein ideologiekritischer also, wohl kaum entstehen.

Das mal vorausgesetzt, wäre dann die eigentlich wichtigere, und solchermaßen eben auch geleugnete, Dimension die, welche nach den wahren Gründen sucht, warum heute, und dies in unserem Land, nicht in der Sahelzone oder in anderen irdischen Höllen, junge Mütter ihre Kinder aussetzen, bzw. gar töten.
Das mag in vielen Einzelfällen dann so harmlos daherkommen, wie im Fall dieser hier genannten Mutter, aber als Massenphänomen wäre das damit unterbelichtet.

Die Rede ist hier von den sozialen und kulturellen Krisen, die heute Mütter, junge Mütter gar, durchstehen, wenn sie sich mit einer Schwangerschaft auseinandersetzen.
Das Patriarchat, zumal ein kirchlich konnotiertes, ist objektiv am Ende, sowohl als Hort als auch als plausible ideologische Matrix. Und doch ist es allgegenwärtig. Hier, im Westen, nicht im Orient (dort auch, aber ganz anders!), gibt es ein solches, das sich modern gewendet zeigt, nämlich selten salbungsvoll-theologisch agierend, da sich in aller Regel politisch gebend. Und doch ist es überall als jene heimlich-unheimliche theologische Macht, welche das Patriarchat eben in diese kirchliche Form kleidet, der letztmöglichen womöglich. Ich rede da nicht von Verschwörung, die mag es auch geben – ich möchte nicht wissen, wie viele Politiker ihre eigentliche Macht der einen oder anderen Kirchenmacht zu verdanken haben, um nach dort dann auf alle Zeit tributpflichtig zu sein -, nein, die Rede ist von den Inhalten unserer verrechtlichten bürgerlichen Welt.

Schon bei der Frage, ob sie das Kind austragen will oder nicht, unterwirft sie sich staatlicher, resp. kirchlicher „Beratungsmacht“. Dann folgt der Mutterpass, der sie zum Objekt einer omnipotenten Gesundheitsverwaltung macht, dazwischen, davor und danach liegt das Standesamt und nicht selten endet die Odyssee beim Scheidungsrichter, dem Jugendamt, dem Sozialamt, dem Finanzamt (wegen Änderung der Steuerklasse) und so weiter und so fort.

Nicht deutlich erkennbar, aber doch spürbar die Macht der Kirche, die all diese Wege begleitet, vor allem dann, wenn es um diese „Saat“ geht. Es ist diese, welche vor allem interessiert, nicht ihr eigenes Selbst, nicht ihr Subjekt-Sein, ihr Objekt-Sein.

Patriarchat als die Dreieinigkeit von Staat-Kirche-Mann. Als unmittelbare Gegeninstanz zum eigenen Nicht-Subjektsein, der eigenen Ohnmacht, dem Nicht-Sein als selbstständiges Subjekt.
Frauen von heute sollen glauben, dass sie dem Manne gleich gestellt sind, so die Gendersemantik, in Wahrheit aber sind sie nach wie vor unentbehrlich für die Reproduktion dessen, was dem einen das Humankapital, dem anderen der materiale Stoff für seine von Seelen bevölkerten himmlisch-irdischen Plenen. Je mehr sie aber selber zu Humankapital werden, die Frauen von heute, und dies in harter Konkurrenz zu den Vätern ihrer Kinder, zum Subjekt also – endlich – in der bürgerlichen Waren- und Arbeitsgesellschaft, stellen sie ihre solchermaßen subalterne eben Nicht-Subjekt-Rolle (Roswitha Scholz /Das Subjekt ist der Mann) laut oder auch wie so oft leise in Frage.

Und angesichts des Mangels einer authentischen „Weltanschauung“ – der Feminismus ist ja auch nur eine Version der bürgerlichen „Subjektideologie“ , was von Frau nur bedingt antizipiert werden kann, soweit sie nämlich zur bürgerlichen Klasse gehört (und auch als „proletarische Frau“ ist sie nicht Vollsubjekt, was ja auch die Theorie des Sozialismus noch nicht so richtig auf der Höhe der Zeit hat ankommen lassen) -, ergreift im Kopf der Frau etwas anderes diesen Platz: Angst und Verzweiflung, ja Hass auf die eigene Frucht, Vernichtungswut gegenüber jener „Saat“. Unfruchtbar sollst du sein, vernimmt sie als innere Stimme, nicht froh ob deines zweifelhaften „Glücks“. – Nihilismus und Fatalismus, Todeswunsch und Mordgelüste ergreifen so leicht von ihr Besitz.

Kirchen wie Ethikrat lösen keines dieser Probleme, schon gar nicht, wenn sie solches verschweigen. Ja und nicht zu vergessen: Der Nihilismus in seiner vormodernen Form, wo also „Gott noch nicht tot war“, im Nietzscheanischen Sinne, aber auch nicht in protestantischer Lesart dem Menschen offenbart, wäre natürlich einer kirchlichen Theologie zugänglicher als jede moderne Form von Weltanschauung bzw. Philosophie. Die Kirchen sind also nicht wirklich daran interessiert an diesem ideologischen Dilemma der Frau zu rütteln. Ohnmächtig soll sie bleiben, nicht wissend, und ihr Schicksal, wenn auch manchmal wütend dagegen, ertragen.

Daher erfordert der öffentliche Diskurs eine ungeschminkte Auseinandersetzung um die Lage der „postmodernen“ Frau im Kapitalismus, im Rahmen der Formulierung einer Theorie, die auch der Klassenwirklichkeit der Frau Rechnung trägt.

faz.net/blogs/biopolitik/archive/2009/12/18/babyklappen-der-ethikrat-erklaert-zurueck

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