Die Geldwirtschaft ist das Problem an der Oberfläche
Das Problem sitzt tiefer, und daher ist es an der Oberfläche der Finanzwirtschaft auch nicht vollständig zu begreifen, obwohl diese Definition „Schuldner in eigener Sache“ so nicht verkehrt ist. Aber sie trifft nur die (pervertierte) Erscheinungsform!
Wenn Werte auf dem Markt realisiert werden, werden sie das nur, weil ihnen ein „abstrakter Wert“ zugrunde liegt – abstrakte Arbeit. Und doch ist es so, dass diese abstrakte Arbeit gar nicht existiere, wenn es diesen Markt nicht gäbe. In jenem „Quidproquo“ (ein diesbezüglich häufig verwendeter Begriff von Marx im „Kapital“), dem ein mehrfach vermittelter dialektischer Prozess zugrunde liegt, nämlich des eines fortlaufenden (auch antagonistischen, siehe: Kapital und Arbeit) Widerspruchs, liegt das ganze Problem. Kapital und (abstrakte) Arbeit entstehen so besehen erst auf dem Markt, bricht dieser zusammen, ist es für beide die definitive Katastrophe. Es ist dann so, als wären sie nie gewesen, obwohl sie sich in der Produktion (und eben nicht in der Verteilung) – also solche, aber eben nur (sich wechselseitig) substituierend – begegnen. „Existieren“ gewissermaßen, tun sie erst viel später. Marx formuliert das so: „Erst innerhalb ihres Austausches erhalten die Arbeitsprodukte eine von ihrer sinnlich verschiednen Gebrauchsgegenständlichkeit getrennte, gesellschaftlich gleiche Wertgegenständlichkeit“ (MEW 23, Kapital I, S. 87 – Die Ware). Abstrakte Arbeit, Wert, Kapital, ja Waren, sind gesellschaftlich vermittelte „Gegenstände“, welche hier also nicht wirklich sinnlich noch privat (d.h. ohne diese Gesellschaft eigentlich gleich Null) sind. Hinzu kommen die nun eingangs erwähnten Verzerrungen durch die Finanzwirtschaft („Überkreditierung“), die das Kapital auf dem Weg seiner Konstituierung noch einmal erheblich strapazieren, da zunächst weiter in Richtung Verflüssigung umleiten (und die Arbeit obsolet werden lassen, denn 25 % Zinsen – Ackermann – kann man in der Realwirtschaft nicht erwirtschaften). Genau genommen sollen die Profite nicht aus dem investierten Kapital gewonnen werden – das wäre nur die Referenz hierfür -, sondern aus jenen Momenten wo das Kapital sich jeweils kurz vor bzw. nach einer jeweiligen Investition befunden hat – als Kredit nämlich im Geldkreislauf. Idealerweise ist Geld somit eigentlich nicht wirklich als Kapital investiert, vom Standpunkt des Finanzkapitals! Diese Art von Profitmaximierung untergräbt dauerhaft die Substanz des Kapitals (wie der Arbeit), ist sozusagen räuberischer Natur. Eine Reproduktion des Kapitals kann daher nur als Nebenprodukt stattfinden.
Das heißt: Es kommen praktisch (im Verhältnis zur Geldwirtschaft) allein deshalb immer weniger reale Produkte auf den Markt, auf einen jenen, der für die Konstitution von Kapital wie Arbeit nachwievor von existentieller Bedeutung ist. Nicht nur die Substanz von Kapital, die (abstrakte) Arbeit, wird obsolet, sondern Kapital selber. Reale Produkte werden damit nicht nur unverkäuflich, sondern auch „unwertlich“. So ist die Karawane der „Verwertung des Werts“ zum Weiterziehen gezwungen. Es ist mehr als nur eine Ironie, wenn ausgerechnet die Hedge Fonds die dafür zu eignenden „Vollzugsbeamten“ werden, die münteferingschen „Heuschrecken“ also. Es klingt wahrlich verrückt: Kapital und Arbeit werden abgebaut, zu „Geld“ /Zertifikaten/Derivaten/Schuldscheine verflüssigt, damit die „Verwertung des Werts“ weiter stattfinden kann. Nur welchen Wert?- bleibt doch die bange Frage! Und es lässt einen nichts Gutes ahnen.
Kein Grund zur Verzweiflung
@Wisi: Es scheint so, als würde das Kapital (seine Staatsmacht) daran glauben, an diese „unendliche Vermehrbarkeit“. Es werden Milliarden locker gemacht, die durch nichts gedeckt sind, als durch die Hoffnung, auf eine profitreiche Zukunft. Allerdings glaube ich nicht daran. Ich denke, ein Teil der Herrschenden, ihrer „Think Tanks“, ihrer Buchmacher und Geldmacher, sind nicht halb so naiv, wie wir hier glauben möchten. Es zählt nicht die Substanz, das mag sein, und dies für eine gewisse Zeit, wenn man sich Hoffnung machen darf, dass die „Anderen“ die Rechnung bezahlen. Kapitalismus ist kein soziales System, das auf Ausgleich aus ist, es ist ein Raubsystem, indem der Gewinner für das Ganze steht. Die Verlierer werden weggeblendet. Die Abstraktion vom Realen erhält Glaubwürdigkeit dadurch, dass es immer noch Grund gibt anzunehmen, dass man persönlich reich dabei wird. Dies ist auch der Grund, warum man das Kapital nicht rein abstrakt, oder rein objektiv, bzw. deduktiv, analysieren kann. Die Brüche, die Sinnwidrigkeiten, die Paradoxien, die Absurditäten, geben den Raum für das Subjekt, für den Klassenkampf, für den Widerstand, für den Sinn, für die Logik („die Vernunft“), die Dialektik. Zusammen wird es ein Ganzes, ein höchst komplexes wie widersprüchliches, aber doch ein Ganzes. Ein solches, das bekanntlich mehr ist als die Summe ihrer Teile.
Auf sich alleine gestellt ist das Problem nicht begreifbar, nicht lösbar. Es gibt daher auch keine „innere Schranke“ (wie Robert Kurz annehmen möchte) der Verwertung – trotz der aufgezeigten jeweiligen Schranken. Diese Schranken können nur am Subjekt aufgebaut werden, sonst nirgendwo.
So betrachtet, kann das Kapital „ewig“ weiter existieren, und sei es auch als verloschener Stern. Vom Kosmos hinaus befördert werden, kann es nur durch das Subjekt, durch die Massen.
Es wäre sehr vermessen anzunehmen, dass die Massen erheblich dümmer seien als jeder einzelne von uns, wo wir doch zusammen diese Masse(n) bilden. Es gibt also keinen Grund zur Verzweiflung.
Die Klassenschranken sind doch recht stabil
@cramer: „weil sonst jemand auf die idee kommen könnte, die entität seines gehalts sei bloß eine willkürliche einschränkung seiner handlungsmöglichkeiten in einer welt, die ansonsten völlig schrankenlos operiert………?“
Gut erkannt, derart „schrankenlos“, bzw. relativistisch ist die Welt dann wohl doch nicht! Die Klassenschranken hingegen sind dann aber doch recht stabil.
Donald Duck hat sich überlebt
@Strobl: „die absoluten Standard- oder Istbeträge interessieren kein Schwein mehr.“ Das erklärt dann auch, warum die Herrschaften in der gegenwärtigen Krise nur noch zählen, wie viel Prozent sie verloren haben, nicht wie viel (an Substanz) sie noch haben. Das macht die Sache natürlich ungemein einfach. Donald Duck hat sich wohl überlebt.
Opportunitätskostenbetrachtung?
@Strobl: Sie haben recht, es war Dagobert, der immer sein Geld zählte. Ist halt lange her.
Grüße
P.S. Aber erklären Sie doch bitte mal mit einfachen Worten „Opportunitätskostenbetrachtung“, bin nicht ganz up to date, was die bürgerliche Ökonomie anbelangt. Danke
faz.net/blogs/chaos/2009/05/11/autopoiesis-des-profit-virus
Ein Trackback
[…] geschaffen. Er fließt nur da hindurch und wird bei dieser Gelegenheit abgesaugt. So kommen die „25 %” eines Herrn Ackermann […]