Der ewige Spießbürger

Liebe FAZ, wenn Ihr mich schon zensiert, dann bitte ändert doch gleich die Überschrift. Weil diese nämlich keinen Sinn macht, ohne den fehlenden Rest! Den fett hervorhobenen Teil hat die FAZ natürlich nicht gesendet. Ich hätte es mir denken können. Schon bei der Diskussion um Walser und Goethe (Ein liebender Mann) habe ich es erleben dürfen, wie alle Anspielungen auf der beider Antisemitismus gnadenlos und zum Teil sehr kunstvoll aus meinem Text heraus geschnitten wurde. So gut, dass ich erst beim zweiten Lesen selbst bemerkte. Diesmal war die Kürzung einfach nur plump.

Der ewige Spießbürger
Es ist wohlfeil die Kolonialpolitik der „Anderen“ zu kritisieren, die eigene aber nicht anzusprechen. So war Goethe in seiner Eigenschaft als Finanzminister in Weimar auch zuständig für die Verschickung von Soldaten, deutsche Quasisöldlinge, für den Krieg gekaperte Unfreie – den „Hessen“ -, nach Amerika, zwecks Verteidigung englischer Kolonialinteressen dort. Goethe in einem derart humanen Licht zu zeigen, ist also schlichtweg unhistorisch. Goethe mag den Krieg in Europa, der ja eigentlich ein gesamteuropäischer Bürgerkrieg war, nicht gemocht haben – die Deutschen waren da diesbezüglich in der Tat sehr inkonsistent -, am amerikanischen Krieg hat er mitverdient. Und genau das meint mein Vorwurf der Doppelbödigkeit, wie ich ihn in „Déjàvu“ behaupte. In dem Maße, wie ein Goethe „Araber“ war, war er dann wohl auch „Antisemit“. Jene Spielart des deutschen Geistes deren Richtung wir kennen. Und hier berühren sich wohl auch – über alle Zeiten wie über alle theoretisch-philosophischen Gräben hinweg – ein Sarrazin und ein Goethe. Es ist die Aporie eines Denkens, welche sich als „Deutsche Ideologie“ mal zur Romantik mal zum Rassenwahn bekennt. Ihr entkommen wir nur, wenn wir endlich der Welt den ewigen Spießbürger dahinter vor-stellen.

faz.net/Debatte um den „West-östlichen Divan“: Goethe war Araber, 18.01.2011

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